• „Echogedicht“ (UA) – act:on

 

ECHOGEDICHT  eine act:on |  Tiago Manquinho Produktion

Wir rasen durch das Web mit einem ständigen „Ja/Nein-Button“.  Wir suchen nach Informationen, von denen wir annehmen, dass sie relevant sind. So basteln wir eine personalisierte Informationssammlung zusammen und geben konträren Inhalten seltener eine Chance. Gerne werden Algorithmen dafür verantwortlich gemacht. Dabei existieren „Echokammern“, seit es Menschen und soziale Gruppen gibt. Im Alltag sind wir in erster Linie daran interessiert, unserer eigenen Identität gerecht zu werden.  Die eigenen Meinungen immer wieder bestätigt wissen, das tut dem Ego gut und wirkt ähnlich wie eine Droge.

Wir schaffen uns ein Gedicht mit all seinen Metaphern und formalen Strukturen, mit seinen Codes und Wiederholungen. Wir genießen die Melodie und Harmonien unserer Erzählung und suchen nach Resonanzen davon in unseren zwischenmenschlichen Interaktionen.

Wie können wir aus unseren „Echokammern“ herauskommen und offen sein für die Argumente der anderen Seite? Wie können wir unsere eigenen „Echogedichte“ mit anderen Erzählungen in Einklang bringen und somit eine gemeinsame Wirklichkeit gestalten? Schaffen wir dann nicht wieder eine neue, nur noch größere „Echokammer“? Oder finden wir unsere Verbundenheit erst in der Vielfalt von Erzählungen und Dichtungen?

In diesem neuen Tanzstück suchen der Choreograf Tiago Manquinho und das Team von act:on nach der Verortung eigener Welten, Erzählungen und deren Echos in sozialen Räumen. Gegensätzliche Realitäten, die sich anziehen und abstoßen, Paralleluniversen in einer begrenzten Raumzeit. Wie die Bergnymphe Echo, die ihre Liebe zu Narziss nicht deklarieren konnte, werden vier „Gedichte“ auf „Felsen“ nachschallen und versuchen einen gemeinsamen Klang zu finden.

 

 „Ein Echo bekräftigt nur, was irgendwann bereits gesagt wurde. Wie ein toter Stern wirkt es aus der Ferne präsent, doch in Wirklichkeit fehlen ihm Licht und Leben. Die durch Echos entstehenden Resonanzräume begrenzen die Breite und Tiefe unserer Ansichten deutlich; sie rationieren gewissermaßen die Erkenntnis. Gleichzeitig schmälern sie auch die Einsicht – das, was Geist und Herz miteinander verbindet, über die einsamen Grenzen unseres Denkens hinauszublicken und uns auf andere Menschen einzulassen, ihnen zuzuhören und von ihnen zu lernen. Den einen Resonanzraum gegen den anderen einzutauschen, ist auch keine Lösung. Wir müssen intellektuelle Nomaden werden, immer unterwegs, immer lernbegierig, müssen dem Drang widerstehen, in kulturellen oder geistigen Ghettos zu verharren. Wir sollten weniger Zeit im Zentrum, dafür umso mehr an den Rändern verbringen, denn nur dort ist Bewegung, nur dort entsteht wahre Veränderung.“

Elif Shafak: „Hört einander zu!“

Choreografie: Tiago Manquinho in Zusammenarbeit mit den Tänzer:innen

Tanz: Francesca Ciaffoni, Sophie Hauenherm, Dominic Santia, Sarah Stanley

Musik: Patrick Schimanski

Bühne und Kostüme: Katharina Andes

Video: Oliver Schirmer

Fotos: Bettina Stöß

Trailer: Faktotum Medienproduktion

„Echogedicht“ ist eine act:on Produktion in Koproduktion mit dem LOT-Theater im Rahmen von Tanzstelle Braunschweig und der EISFABRIK. e.V.

Tanzstelle Braunschweig wird gefördert vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, von der Stiftung Niedersachsen, der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung, der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz im Rahmen von „Niedersachsen dreht auf“, und dem Dachverband Tanz im Rahmen von „Dis_Tanzen“.

„Echogedicht“ wird gefördert von dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, der Stiftung Niedersachsen, der Landeshauptstadt Hannover / Kulturbüro, Die Braunschweigische Stiftung, der Stadt Braunschweig und unterstützt durch den Landesverband Freier Theater in Niedersachsen e.V. sowie T.A.N.Z. Braunschweig.

English

ECHOGEDICHT an act:on | Tiago Manquinho production

 

We rush through the web with a constant „yes/no button“.  We search for information that we assume to be relevant. In this way, we assemble a personalised collection of information and rarely give contrary content a chance. Algorithms are often blamed for this. Yet „echo chambers“ have existed as long as people and social groups have existed. In our daily lives, we are primarily interested in living up to our own identity.  Having one’s own opinions confirmed over and over again is good for the ego and has a similar effect to a drug.

We create a poem for ourselves with all its metaphors and formal structures, with its codes and repetitions. We enjoy the melody and harmonies of our narrative and look for resonances of it in our interpersonal interactions.

How can we get out of our „echo chambers“ and be open to the arguments of the other side? How can we reconcile our own „echo poems“ with other narratives and thus create a common reality? Don’t we then create a new, only bigger „echo chamber“ again? Or is it in the diversity of narratives and poetries where we can find our common ground?

In this new dance piece, choreographer Tiago Manquinho and the act:on team search to place own worlds, narratives and their echoes in social spaces.  Contrasting realities attracting and repelling each other, parallel universes in a limited space-time. Like the mountain nymph Echo, who could not declare her love for Narcissus, four „poems“ will echo on “ cliffs“ and try to find a common melody.

„Echoes simply reiterate what has already been said at some point in time, long gone. Like dead stars, they might seem to have a presence from a distance, but in truth, they are completely devoid of life and light. Echo chambers, therefore, severely limit the breadth and depth of the views we subject ourselves to, they ration knowledge. And, at the same time, they limit wisdom: wisdom which connects the mind and the heart, activates emotional intelligence, expands empathy and understanding, allows us to reach beyond the lonely confines of our own minds and engage with the rest of humanity, to listen to them and learn from them. To leave one echo chamber for another is not a solution either. We must strive to become intellectual nomads, keep moving, keep learning, resist confining ourselves in any cultural or mental ghetto, and spend more time not in select centers but at the margins, which is where real change always comes from.”

― Elif Shafak, How to Stay Sane in an Age of Division

 

 

"Shaping" Company Idem